New York City: Jacky Käsgen
NYC – Die Stadt, die niemals schläft
Endlich war es geschafft: die schriftlichen Prüfungen des juristischen Staatsexamens lagen hinter mir und ich konnte mich im Rahmen meiner Wahlstation des Referendariats endlich in das Abenteuer „Leben in New York“ aufmachen.
Bis dahin ist es zwar ein längerer und oftmals auch stressiger und bürokratischer Weg; wenn Du das alles hinter Dir hast, steht Dir allerdings eine unvergessliche Zeit bevor, für die es sich lohnt, jede dieser Hürden zu nehmen!
- Die richtige Ausbildungsstelle
Ganz am Anfang der Reise steht die Wahl der richtigen Ausbildungsstelle; hierfür gibt es eine ganze Reihe an Möglichkeiten, zum Beispiel die Großkanzlei, zu welcher man evtl. bereits im Rahmen der Anwaltsstation oder einer wissenschaftlichen Mitarbeit Kontakte geknüpft hat, eine Behörde, wie bspw. die AHK oder eine rein amerikanische Kanzlei, welche bereit ist, auch deutsche Referendarinnen und Referendare aufzunehmen. Ich habe mich für Letzteres entschieden und habe meine Wahlstation in einer kleinen Kanzlei direkt an der Wall Street absolviert. Finden kann man diese Möglichkeiten unter anderem natürlich hier, über den DAJV, aber auch direkt auf der Website der jeweiligen Behörde – wie schon genannt z.B. bei der AHK oder aber auch bei dem Auswärtigen Amt oder bei dem NY State Department of Environmental Conservation – einige Oberlandesgerichte stellen online ebenfalls Listen mit ausländischen Firmen zur Verfügung, welche deutsche Referendarinnen und Referendare ausbilden. Meines Erachtens kann man bei keiner dieser Möglichkeiten etwas falsch machen! Ich habe viele Referendarinnen und Referendare aus unterschiedlichen Bereichen kennengelernt und eigentlich waren sich alle Vorgesetzten bewusst, dass man hauptsächlich in New York ist, um etwas zu erleben und die Stadt kennenzulernen, sodass mal ein freier Tag oder ein früherer Feierabend nie ein Problem war.
Bewusst machen sollte man sich allerdings, dass die Arbeitsgesetze in den USA keinesfalls so ausgestaltet sind, wie in Deutschland, und man bei einem amerikanischen Arbeitgeber grundsätzlich erst einmal keine Urlaubstage bekommt; so war es bei mir ebenfalls. Ich hatte jedoch das Glück, dass auch mein Chef wollte, dass ich alles erlebe, was ich mir vorgenommen hatte, sodass ich auch öfter früher gehen durfte und auch einen Tag freibekommen habe, wenn ich danach gefragt habe. Dieses Problem gibt es bei der AHK oder dem Auswärtigen Amt nicht, dort hat man von vornherein eine gewisse Anzahl an Urlaubstagen.
Nicht selten ist es zudem so, dass man als Referendarin oder Referendar nichts verdient, insbesondere, wenn man sich dafür entscheidet, die Station in einer Behörde zu absolvieren. Das sollte also in jedem Fall vorher geklärt werden, sodass man im Notfall vorher alles ansparen kann – New York ist, neben der Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten, nämlich vor allem eines: teuer!
- Das Visum
Ist eine Ausbildungsstelle gefunden, geht es an das meiner Meinung nach leidigste Thema: das Visum. Man bekommt als Referendarin oder Referendar ein J1-Visum, mit welchem man 30 Tage vor Beginn der Station einreisen und bis zu 30 Tage nach Ende der Station im Land bleiben darf.
Das Visum wird allerdings nicht so einfach ausgestellt, wie die ESTA-Reiseerlaubnis; um das Visum zu bekommen, braucht es eines Sponsors, welcher quasi für einen bürgt. Der häufigste Sponsor hierfür ist wohl Intrax; dieser stellt jedoch gewisse Anforderungen an die Größe bzw. die Mitarbeiterzahl in der Kanzlei, sodass man hier schlechte Karten hat, sollte man sich, wie ich, für eine kleine Kanzlei entscheiden. Hierfür ist die German American Chamber of Commerce (GACC) in New York empfehlenswert. Man bekommt eine eigene Sachbearbeiterin oder einen Sachbearbeiter zugeteilt, welcher auch jederzeit für Fragen zu Verfügung steht. Online wird der Antrag ausgefüllt, sodann setzt sich die GACC sowohl mit Dir als auch mit der Firma in den USA in Verbindung und es wird erst einmal noch mehr Papierkram ausgefüllt. Ist dies erledigt, folgt weiterer Papierkram J. Es ist empfehlenswert, sich bereits online die Checkliste anzuschauen, sodass man bereits alle Unterlagen und Informationen (so weit möglich) beisammen hat und sich der Prozess nicht verzögert. Im Laufe dieses Prozesses folgt sodann ein Videointerview, woraufhin das DS-2019-Formular ausgestellt wird – hat man dieses erhalten, vereinbart man online einen Termin bei einem US-Konsulat, zu welchem man persönlich mit – Überraschung! – allerhand Papierkram erscheinen muss Dort wird ein kurzes Interview geführt, woraufhin ein zuständiger Agent das Formular stempelt und man seinen Ausweis abgibt; ein paar Tage später erhält man diesen mit dem Visum zurück. Das alles ist leider sehr teuer und alleine der Sponsor kostet zwischen 1.300 € und 1.500 €. Für den Konsulatstermin sollte man ebenfalls ca. 400 € einplanen. Einen Weg daran vorbei gibt es leider nicht.
- NYC
Die Unterkunft
Ab hier wird es aber besser! Ist das alles geschafft, kann es nämlich endlich losgehen und ich sage Dir – der ganze Aufwand lohnt sich! Ich habe in New York eine unvergessliche Zeit gehabt und sehr viele tolle Menschen kennengelernt, mit denen ich auch immer noch in Kontakt stehe. Zudem macht sich Auslandserfahrung natürlich auch immer gut im Lebenslauf!
Die Suche nach einer Bleibe ist in NYC zwar nicht ganz so easy, es gibt allerdings einige Möglichkeiten, einigermaßen bezahlbare Unterkünfte zu finden. Vorab: etwas unter $1500/Monat zu finden, ist wirklich schwierig, zumindest, wenn man direkt in Manhattan bleiben möchte. Eine günstigere Alternative wäre Brooklyn, wobei auch hier oftmals horrende Preise herrschen. Zum einen gibt es auch in New York die Möglichkeit des Airbnb. Da sollte man allerdings früh dran sein und beachten, dass ein Gesetz in New York existiert, welches meines Wissens besagt, dass der Vermieter mit in der Wohnung bzw. im Haus wohnen muss. Eine WG ist allerdings eine tolle Möglichkeit, direkt zu Anfang Kontakte zu knüpfen und den waschechten American way of life kennenzulernen!
Zudem gibt es in Manhattan mehrere Wohnheime, welche oftmals jedoch noch teurer sind, als ein WG-Zimmer und zudem häufig Wartelisten führen. Beispiele hierfür sind das Markle (für Frauen), der Outpost Club oder die Saint Agnes Residence. Der ultimative Tipp und auch die Variante, für die ich mich entschieden habe, ist das Kolping Haus direkt auf der Upper East Side. Die Bilder, die man online finden kann, sehen zugegebenermaßen nicht allzu einladend aus, allerdings ist es deutlich angenehmer, als die Website vermuten lässt! Man bezieht ein Zimmer und teilt sich das Badezimmer, wie in einer WG. Das Haus besteht aus reinen Frauen- und Männeretagen, verfügt allerdings über einen Gruppenraum/eine Bibliothek, in welcher man sich zu jeder Zeit treffen kann. Abends gibt es jeden Tag (außer am Wochenende) Dinner, bei welchem man zwischen drei verschiedenen Gerichten + Beilagen wählen kann. Man bezahlt als Intern oder Trainee $1.120/Monat und für New York, und vor allem diese Lage, ist das eigentlich schon als Schnäppchen anzusehen! Zusätzlich hat man die Möglichkeit, für $20/Monat einen kleinen Kühlschrank für das Zimmer auszuleihen. In der Umgebung hat man alles, was man braucht: Bäckereien, Supermärkte, einen Waschsalon, Cafés und die Metro-Station ist ebenfalls nur drei Gehminuten entfernt. Den Central Park erreicht man zu Fuß innerhalb von ein paar Minuten!
Zudem ist es, Dank des täglichen Dinners, die perfekte Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen! Alle sind super aufgeschlossen und hilfsbereit, sodass man direkt Anschluss findet. Es gibt außerdem WhatsApp-Gruppen, durch die man sich vernetzen und direkt bei der nächsten Aktivität anschließen kann!
Tipps & Tricks
Wie schon gesagt, ist New York unfassbar teuer; es gibt allerdings ein paar Tricks, mit denen man einige Dollars sparen kann!
Hauptsächlich wirst Du Dich vermutlich mit der Metro (oder zu Fuß) fortbewegen; hier ist es ratsam, sich entweder eine Monats- oder Wochenkarte zu besorgen oder per ApplePay vor jeder Fahrt zu bezahlen – man bezahlt bei letztgenannten Varianten $34/Woche, wobei man ab der 13. Fahrt umsonst fährt. Wenn man nur wenige Meter an der Freiheitsstatue vorbeifahren, allerdings keinen Abstecher zur Liberty Island selbst machen möchte, lohnt sich die Staten Island Ferry – die ist nämlich komplett kostenlos und bietet einen perfekten Blick auf die Statue und Lower Manhattan! Was man sich als Intern oder Trainee in jedem Fall besorgen sollte, ist die New York Public Library Card. Diese bekommt man, wenn man einen Wohnsitz in NY nachweisen kann; mit dieser Karte hat man die Möglichkeit, sich den Culture Pass zu buchen, mit welchem man kostenlos in fast alle Museen kommt (bspw. in das MET, das MoMa, das Guggenheim-Museum und viele mehr!). Woran Du ebenfalls regelmäßig teilnehmen solltest (falls Du Broadway-Musicals sehen möchtest) ist die Broadway Lottery: https://lottery.broadwaydirect.com/#_ga=2.25689725.1770828888.1719420283-1259943732.1719420283. Hier kannst du Broadway-Tickets schon für $35 gewinnen! Wir hatten das Glück, auf diesem Wege drei Musicals für einen Bruchteil des regulären Preises sehen zu können. Auf 1iota hat man die Möglichkeit, Tickets für Talkshows wie die Late Night Show mit Jimmy Fallon und The Late Show with Stephen Colbert zu erhalten (diese Tickets werden tatsächlich nur verlost, nicht verkauft): https://1iota.com. Ebenso lohnt es sich, die App „Too Good to Go“ auszuprobieren. Die kennst Du vielleicht auch schon aus Deutschland, in New York ist die Auswahl jedoch nochmal deutlich größer und man bekommt oftmals Tüten voller Leckereien für $5! Falls Du Pasta-Fan bist: in Williamsburg bei Forma Pasta gibt es Pasta-Gerichte für je $13! Ebenfalls sehr empfehlenswert ist das Intern Breakfast bei Alston & Bird in der Nähe der Grand Central Station! Dieses findet alle zwei Wochen statt und ist speziell für Referendarinnen und Referendare gedacht. Man kann sich einfach per Mail anmelden und erhält sodann einen Einladungscode.
Die Arbeit
Ich habe meine Station in einer sehr kleinen Kanzlei verbracht und war dementsprechend die einzige Referendarin. Zugegebenermaßen habe ich auch wenig juristisch gearbeitet und war auch nicht den ganzen Arbeitstag voll ausgelastet; darauf muss man sich wohl einstellen, wenn man sich für eine kleinere amerikanische Kanzlei entscheidet. Es waren allerdings auch hier alle sehr nett, aufgeschlossen und hilfsbereit! Ich hatte Einblicke in die anwaltliche Arbeitsweise und konnte vor allem viel über Schriftsätze und die Kommunikation mit den Gerichten mitbekommen. Es wurden querbeet fast alle Rechtsgebiete behandelt, von Gesellschaftsrecht über Strafrecht bis zu zivilrechtlichem Schadensersatzrecht. Ich hatte auch in alle diese Gebiete Einblicke, habe allerdings größtenteils an gesellschaftsrechtlichen Fällen mit gearbeitet. Ich hatte dort eine Vollzeitstelle und habe tatsächlich auch 40h/Woche gearbeitet. Das war bei den meisten anderen, die ihre Station in Kanzleien absolviert haben, ebenfalls so – früherer Feierabend oder mal ein freier Tag war aber, wie erwähnt, kein Problem.
Ich habe von mehreren Referendarinnen und Referendaren gehört, dass diese auch oftmals nicht allzu viel zu tun hatten – man hatte aber die Möglichkeit, an Gerichtsverhandlungen teilzunehmen; die Mitarbeiter am Eingang der Gerichte sind meist sehr freundlich und geben Tipps, wo es sich lohnt, reinzuschauen! Zudem gibt es in New York die sog. „Night Courts“ – diese Verhandlungen sind zwar oftmals sehr kurz, einen Ausflug jedoch wert!
Was darf nicht fehlen?
Es gibt so vieles, was man in New York erleben kann, sodass ich gar nicht alles aufschreiben kann, was empfehlenswert ist!
Was meines Erachtens jedoch keinesfalls fehlen darf, ist der Besuch einer der Aussichtsplattformen, auf welchen man einen Blick über ganz Manhattan hat. Mein persönliches Highlight war hier das Summit One Vanderbilt. Eine Rooftop-Bar und ein sog. „Speak Easy“ sollten ebenfalls auf dem Programm stehen! Bei gutem Wetter sollte man mit einem guten Kaffee durch den Central Park spazieren und – ganz wichtig – sich vorher mit Nüssen ausrüsten, um die Eichhörnchen zu füttern!
Im Winter ist Schlittschuhlaufen im Central Park empfehlenswert (mit dem Culture Pass ebenfalls kostenlos!). Ausflüge in die Umgebung lohnen sich ebenfalls; hier bieten sich die Hamptons an, oder Washington D.C., Philadelphia oder, wenn man ein bisschen weiter weg möchte, Boston. Vieles ist sehr günstig mit dem Flixbus zu erreichen!
Handy & Datenvolumen
Sinnvoll ist es, sich vor der Abreise um eine SIM-Karte oder eine eSIM zu kümmern, sodass man in der Stadt nicht auf W-LAN angewiesen ist und immer Zugang zu Google Maps hat J! Über die GACC bekommt man ein Angebot, über welches man eine SIM-Karte zugeschickt bekommt und für $45/Monat über unbegrenztes Datenvolumen verfügt und im Inland Telefonate führen kann. Es gibt inzwischen auch einige gute Angebote über eine e-SIM, mit einer solchen kann man meines Wissens nach allerdings nicht telefonieren.
- Fazit
Ich würde jederzeit wieder für längere Zeit nach New York gehen! Insgesamt war das Ganze natürlich eine teure Angelegenheit und alleine für das Visum, die Flüge und die Unterkunft musste ich ca. 5.500 € hinlegen; ich würde schätzen, dass man für Lebensmittel, Metro, Ausflüge, Aktivitäten etc. nochmal mit mindestens 3.000 € rechnen sollte. Die Menschen sind aufgeschlossen (nicht nur die Einheimischen, sondern in den aller meisten Fällen auch die Gleichgesinnten, die man kennenlernt!) und die Stadt hat so viel zu bieten, dass man eigentlich immer unterwegs ist und bei jedem Wetter oder zu jeder Tages- und Nachtzeit etwas findet, was man unternehmen kann – New York ist eben wirklich die Stadt, die niemals schläft! Natürlich gibt es an New York auch Schattenseiten; diese sollten allerdings niemanden davon abhalten, dorthin zu reisen oder längere Zeit dort zu verbringen! Nichts ist perfekt – wobei die Zeit in New York schon sehr nah rankommt!
Jacky Käsgen